,,Der Bücherkoffer fördert die Lese- und Erzählfreude tiefgreifend.“ – Interview mit Nina Severin

Nina Severin ist Koordinatorin des Berliner Bücherkoffer Programms. Zusammen mit ihren Kolleg*innen arbeitet die Pädagogin am Zentrum für Sprachbildung daran, den Bücherkoffer in Grundschulen der Bundeshauptstadt rollen zu lassen. Im Interview haben wir Nina gefragt, woran sie gerade arbeitet und was sie sich für die Bildung von Grundschüler*innen in Zukunft wünscht.




Wo arbeitest du, Nina?

Ich arbeite am Zentrum für Sprachbildung (ZeS) in Berlin. Das ZeS ist eine Einrichtung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Gemeinsam mit meinen KollegInnen bieten wir Lehrkräften und Pädagoginnen und Pädagogen Qualifizierungen zu Themen der Sprachbildung und Sprachförderung an. Mein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich der Sprachförderung am Übergang Kita und Grundschule sowie der Sprachbildung im Bereich des Forschenden Lernens.

Warum hast du dich entschieden, das Bücherkoffer Programm zu unterstützen?



Als Pädagogin konnte ich bereits mehrjährige Erfahrungen in bilingualen Kitas und Grundschulen sammeln und weiß um den Wert von Mehrsprachigkeit. Aus diesem Grund freue ich mich sehr mit Unterstützung einiger Kolleginnen im ZeS, seit Herbst 2021 den Berliner Bücherkoffer zu implementieren.
Die Koffer finden eine große Resonanz in den Berliner Schulen. Momentan betreue ich 119 Klassen an 28 Schulen und es haben bereits mehr Schulen Interesse an einer Teilnahme angekündigt. Die Informationsveranstaltungen für die Schulen wurden gemeinsam mit coach@school e. V. durchgeführt. Wir haben einen Leitfaden für die Einführungszeremonien sowie den Vorleseworkshop für Eltern weiterentwickelt, Lehrkräftetrainings umgesetzt und nicht zuletzt die Anwendung in den Schulklassen beobachtet.
Es ist immer wieder schön zu erfahren, wie die meisten Kinder aktiv und voller Freude den Einführungszeremonien folgen. Nach den Eindrücken der ersten Monate mit zahlreichen Einführungszeremonien und vielen Besuchen an Berliner Grundschulen kann ich nur sagen, dass ich von diesem großartigen Konzept begeistert bin. Die Rückmeldungen, die ich bisher von Kindern, Eltern und PädagogInnen erfahren habe, sind sehr positiv. Die Beteiligten freuen sich sehr, dass die Herkunftssprachen der Familien wertgeschätzt werden.
Einige PädagogInnen berichteten, dass es fast schon Wettbewerbe gibt, welches Kind den Koffer als nächstes mitnehmen darf. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass die Lese- und Erzählfreude tiefgreifend gefördert wird. Danke an das tolle Team von coach@school e. V., dass sie diesen fabelhaften Bücherkoffer entwickelt haben.

Woran arbeitest du gerade?

Derzeit setzen wir die Einführungszeremonien an den Grundschulen um, 88 Zeremonien fanden bereits in Berlin statt und es werden noch mehr. Coronabedingt wurden die ersten Elternworkshops bzw. die Vorlesetrainings für Eltern digital angeboten. Für diese Workshops wird für die nun startenden Präsenzveranstaltungen eine höhere Beteiligung erwartet. Es ist spannend für mich zu sehen, wie unterschiedlich stark dieses Angebot von den Eltern genutzt wird. Der Bedarf an herkunftssprachlichen Vorlese-Elterntrainings an den Berliner Grundschulen ist groß, deshalb setze ich mich gerade dafür ein, dass die Workshops in den meistgesprochenen Herkunftssprachen der Kinder und Eltern in Berlin übersetzt und in der Umsetzung angeboten werden. KollegInnen, die herkunftssprachlichen Unterricht durchführen, haben hier bereits ihre Unterstützung angeboten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die mehrsprachige Ausrichtung einen positiven Einfluss auf die Teilnahmemotivation an den Bücherkoffer-Elternworkshops haben werden.
Ich wünsche mir noch eine aktivere Partizipation und dass sich alle Eltern, die in das Bücherkoffer Programm involviert sind, sich herzlich eingeladen und angesprochen fühlen, unabhängig von dem eigenen Bezug zum Lesen. Deren Unterstützung durch gemeinsames Lesen und/oder Erzählen zu Hause, auch in ihren Herkunftssprachen, ist immens wichtig für den Spracherwerb. In naher Zukunft werden die ersten Befragungen zum Berliner Bücherkoffer stattfinden.

Was wünschst du dir für die Zukunft der frühkindlichen Bildung?

Für die ganzheitliche Bildung von Kindern wünsche ich mir vor allem Chancengleichheit und Rahmenbedingungen, die diese ermöglichen. Grundlegend wichtig für die Bildungsarbeit ist eine gute und vertrauensvolle, auf Wertschätzung basierende Beziehung zwischen PädagogInnen und Eltern zu fördern. Der Bücherkoffer ist hier ein gutes Beispiel, um einen Teilbereich der Bildung mit Freude zu fördern sowie die Kommunikation zwischen Kindern, Eltern und PädagogInnen zu unterstützen.
Ich bin sehr dankbar, dass coach@school e. V. dieses Konzept bereits 2016 entwickelt hat und ich dieses Projekt nun in Berlin implementieren und mit der Unterstützung meiner KollegInnen weiter entwickeln darf. Die Pandemie hat nicht nur Auswirkungen auf die Psyche, sondern auch Spuren hinsichtlich der Bildung von Kindern hinterlassen. Der Bücherkoffer kann dazu beitragen, die vielfach pandemiebedingte geforderte Eltern-Kind-Beziehung dem Lernen einen neuen Zugang zu geben. Zur Förderung der Lesefreude, der Lesekompetenz und zur Stärkung von Beziehungen kann der Bücherkoffer wirksam werden. Ich wünsche mir für die Bildungschancen von Kindern mehr Instrumente wie den mehrsprachigen Bücherkoffer und Rahmenbedingungen, die Kinder für Bildung mit Freude und Selbstwirksamkeit chancengleich begeistern.

Danke Nina!

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